Micha³ Ogiñski

Micha³ Ogiñski
in Polish  
 

Sybilla Golec ist eine wahrhaft naive Künstlerin. Exakte Bleistiftskizzen stiller Natur sind nicht in ihrem Stil. Stattdessen malt sie bevorzugt mit Akrylfarben auf Brettern und Möbelplatten (was als eine Art Sentiment verstanden werden kann, da ihr Vater ein sehr geschätzter Tischlermeister war).

Während 12 Jahren künstlerischer Tätigkeit hat Sybilla unzählige Werke geschaffen (die genaue Anzahl ist schwer einzuschätzen, doch kennt man den Schaffensdrang und die Schnelligkeit der Künstlerin könnte man meinen, es waren Tausende).

Die Schwierigkeit bei der Einschätzung der tatsächlichen Menge an Bildern der Mutter des Sybillianismus ist einer unzureichenden Foto-Dokumentation ihrer Bilder geschuldet, sowie der Tatsache, dass Sybilla ihre Bilder großzügig an Familie und Freunde verschenkt, aus Liebe oder Dankesgeste für kleinere Gefälligkeiten. An dieser Stelle sollte man auch anmerken, dass manche Bilder während zahlreicher Umzüge verschwunden sind, oder gar geklaut wurden.

 

Sybilla liebt Engel und glaubt fest daran, dass sie sie durchs Leben leiten, sodass sie diese Gottesboten zum Hauptthema ihrer Kunst gemacht hat. Dies sind jedoch nicht die einzigen Motive, denn neben Engeln sind ihre Bilder Ausdruck zahlreicher Faszinationen und Lieben (z.B. die Begeisterung für Matisse, Frida Kahlo, Schlesien und schlesische Wassergeister, arabische Motive nach einer Reise durch Marokko und viele viele mehr). Die Malerei Sybillas ist ein Versuch die eigene Identität zu finden und die eigene Spiritualität zu ergründen.

Die Werke Sybillas sind charakterisiert durch ein starkes Kolorit, aber auch die einzigartige Farbtextur. Die Künslterin ist eine geborene Koloristin – die Farben ihrer Bilder haben eine elektrisierende und belebende Wirkung auf den Betrachter.

Die Malerin überrascht durch ihre äußerst kindliche Naivität, die die meisten erwachsenen Menschen längst verloren haben, aber auch paradoxerweise durch große Reife im Kreieren von abstrakten Formen und Kompositionen.

Diese Qualitäten können in jenen Betrachtern eine ästhetische Rührung hervorrufen, die bereit sind, sich über die manchmal auftretende und verletzende Meinung zu erheben, jedes Kind könne besser malen. In der Kunst Sybillas rücken Formalitäten in den Hintergrund und anders als bei den meisten Künstlern stellen sie kein Ziel für sich dar. Stattdessen fokussiert sie sich auf den Inhalt und die Botschaft ihrer Bilder.

Die Bilder Sybillas sind sehr literarisch, voller Bedeutung und Symbolik; immer wieder tauchen in ihnen barocke Putten, schlesische Wassergeister, Hähne, Katzen, Herzen, Blumen oder Schmetterlinge auf. Sybilla versteckt ihre Faszination für andere Künstler nicht, sei es Frida Kahlo, Matisse, Ciurlonis, Nowosielski, Ociepka, Wróbel, Cybis, Bonnard u.a. Frau Golec hat das erlangt, wonach viele Künstler streben – die Ausbildung eines eigenen unverwechselbaren Stils, einer eigenen malerischen Sprache (Sybilla spricht bereits vier Sprachen, sodass die Sprache der Malerei als ihre fünfte Sprache angesehen werden kann). Denn zweifelsfrei können die Bilder Sybillas mit keinem anderen Künstler verwechselt werden, sie ist auf den ersten Blick erkennbar.

Sie ist sie selbst, authentisch und spontan, drückt ihre Emotionen und Gedanken unverblümt aus. Keine Schule oder Kunstkurse, die sie besucht hat, haben sie von ihrem eigenen Stil abgebracht. Sybilla hat den Mut, sowohl in der Kunst wie auch im Leben nonkonformistisch zu handeln. Verleumdern zum Trotz glaubt sie an das Positive in der Welt und wie es in einem polnischen Lied der Gruppe „Dwa plus Jeden“ heißt läuft sie „immer der Sonne entgegen, der Sonne entgegen bis ans Ende des Horizonts“.

 

Ich hoffe, dass all diese Faktoren weiterhin zum großen Erfolg dieser einzigartigen Künstler beitragen werden. Sie hat bereits viele individuelle Ausstellungen gegeben und ihre Werke wurden auf dem internationalen Festival für Naive Kunst in der Galerie Zeche Wilson in Katowice ausgestellt, sowie in der Galerie für naive Kunst in Kutna Hora (Tschechien).

Die Beschreibung des Schaffens und der Biographie dieser wahrhaft naiven Künstlerin könnte durch zahlreiche Freunde und Bekannte ausgeschmückt und erweitert werden. Ich glaube auch fest daran, dass eines Tages ein Film entstehen wird, der diese faszinierende Persönlichkeit einem breiteren Publikum nahebringt.

 Micha³ Ogiñski, 9. Mai 2016